Dienstag, 1. Dezember 2009

Abhängen

Die Abkürzung BISS steht für "Bürger in sozialen Schwierigkeiten". 1,80 Euro kostet die Zeitschrift. 90 Cent gehen an den Verkäufer- Meist ein Gestrandeter, der sie in Münchens U-Bahnhöfen anbietet.

Die November-Ausgabe zeigt ein engmaschiges Labyrinth auf dem Titel. Darin ein verzweifelter Mensch, sitzend. Tabletten, Spritzen und Flaschen als mögliche Sackgassen. Thema: Sucht.

In einem Artikel die Geschichte von Peter Ernst. 49 Jahre alt, 37 Jahre lang Heroin-abhängig. Die erste Dosis mit zwölf. "Von den Provinz- Diskos der Siebziger bis in den Kunstpark der Neunziger" wird seine Karriere beschrieben. "Zum Rock das Heroin, zum synthetischen Sound das Ecstasy." Dazwischen Gefängnisaufenthalte, Obdachlosigkeit und Überdosis. Jetzt hilft ihm das Diamorphin-Programm der Regierung, ein weitestgehend normales Leben zu führen.

Es gibt Träume, die sind so einprägsam, dass man sie im Leben nicht vergisst. Einen davon hatte ich mit ungefähr zehn Jahren. Von Drogendealern gejagt, die mir eine Spritze verpassen wollen. Noch heute gibt mir der Gedanke daran ein mulmiges Gefühl, doch war es der Grundstein, von Heroin die Finger zu lassen. Die Gelegenheiten gab es schon. In der Jugend experimentiert man mit einigen Substanzen, aber vor Heroin hatte ich immer Respekt. Die Droge, die ich mir am häufigsten verabreichte, war natürlich Nikotin. Die erste, die letzte und zum Glück auch die harmloseste. Unvorstellbar nach einer anderen Droge so abhängig zu sein. Alkohol wäre ja schon ein lebenszerbrechendes Unterfangen. Amphetamine? Gute Nacht! (bzw. keine Nacht, weil kein Schlaf). Und über Heroin kann ich nur mutmaßen, aber die Junkies, die ich kennengelernt habe, machten einen mehr als bemitleidenswerten Eindruck (vorallem, wenn man sie auch als Nicht-Junkies kannte).

Die BISS hat mich über den Begriff "Abhängigkeit" nachdenken lassen. Es ist nicht nur das "abhängig sein", man kann auch aktiv "abhängen". Ist das nicht das, wenn man sich vor dem Fernseher fläzt oder sich am See von der Sonne braten lässt oder im Biergarten prostet? Einige brauchen ein Bier dazu, andere rauchen einen Joint. Sie relaxen. Doch wenn das Relaxen ein Dauerzustand wird, läuft das Leben Gefahr aus der Bahn zu geraten, kommt man doch mit den Anforderungen des Alltags nicht mehr zurecht.

Mein Bewältigungsfeld sind wie gesagt Zigaretten. Und selbst bei dieser vermeintlich harmlosen Sucht merke ich, wie sich Abhängen durch Abstinenz allmählich in Ärmel hochkrempeln verwandelt. In meinem Kopf reifen neue Pläne, Visionen und Tätigkeitsfelder. Ich spüre neue Energie, etwas anzupacken und mich den Herausforderungen zu stellen.





Vielleicht einer der Gründe, warum ich einen Albtraum hatte. Vielleicht einer der Gründe warum ich Heroin nie angefasst habe. Der einzige Cartoon, den ich kenne, in dem gestorben wird. Ein ziemlicher Schocker damals. (Falls der Player nicht funktioniert: Hier der Link zum Kopieren: http://www.youtube.com/watch?v=xrKMzHqzfjE

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