Donnerstag, 17. Dezember 2009

99 problems but a chick ain´t one

Ich denke gar nicht mehr an Zigaretten. Das ging so unheimlich schnell, dass es fast unheimlich ist. Als wäre der Schalter unbemerkt umgelegt worden und damit die Sucht aus meiner Erinnerung geblitz-dingst worden.

Vielleicht liegt es aber auch daran, dass mein Kopf ständig an anderen Orten sein muss und sich nicht auf die Raucherei konzentrieren kann.

Wenn einem die Lohnsteuerkarte abhanden kommt.
Wenn einem der Arbeitgeber kein Geld überweisen will ohne das Papierchen.
Wenn die Bank einem dann Fragen stellt, wo das Geld bliebe und als Konsequenz die Auszahlung verneint.
Und die Behörden Geld wollen, damit man eine Lohnsteuerkarte ausstellen kann. Da wär ja nicht mal Geld für ne Packung.
Zum Glück ist das mittlerweile alles erledigt. Man denkt nicht wirklich an Zigaretten in solchen Phasen, eher an Essen, das auf den Tisch kommen soll.

Wenn man einerseits Bewerbungen schreiben muss um wieder eine bequeme Festanstellung zu bekommen und gleichzeitig die Anfänge von geträumter Selbstständigkeit auf den Weg bringen will. Wenn man schulisch in eine Projektarbeit eingebunden wird und nebenbei trotzdem irgendwie auch mal Geld verdienen muss.

Da bleibt einem keine Zeit ans Rauchen zu denken.

Wenn Weihnachten vor der Tür steht und man eine große Familie zu beschenken hat. In großen Kaufhäusern mit noch größeren Menschenmassen konkurrieren muss. Wenn der Schnee fällt und man sich für den Kälte-empfindlichsten Menschen in Oberbayern hält.

Da verschwendet man keinen Gedanken daran, eine Zigarette zwischen die Finger zu nehmen. Die Hände bleiben in den Handschuhen bleiben in den Jackentaschen.

Und dann kommen die Momente, in denen man entspannen kann. Wo man es sich bequem machen darf. Wärme spürt. Und immer noch keine rauchen will.

Dann wirken Probleme manchmal nur wie positiver Stress.






Sonntag, 13. Dezember 2009

Milky Way

Es gibt die unterschiedlichsten Methoden, mit denen man sich in den Glauben versetzen kann, das Rauchen aufzuhören.

Ein etwa 35 jähriger Mann steht auf den Treppen des Bahnhofeingangs neben mir. Sein Akzent verrät seine albanische Herkunft. Ob ich ein Zigarette will. Er hat sich gerade eine Schachtel aufgemacht. Jetzt, wo ich nicht mehr rauche, werden mir also sogar Zigaretten aus heiterem Himmel angeboten. Ein mir bisher unbekanntes Äquivalent zum Schnorren. "Nein, aufgehört."

Aufhören hatte er auch immer vor. Nie geschafft.

Angefangen hat alles auf einem Marktplatz, wo er sich öfter mit anderen Kindern getroffen hat um Kippen zu paffen. Einmal, als er gerade so halb inhalierte, klappste ihm eine Hand auf den Hinterkopf. Es war die seines Vaters, der zufällig zur selben Zeit am selben Ort vorbeikam. Der Schock saß dem Jungen im Gesicht. Sein 35-jähriges Alter Ego mimt einen unverkennbaren Ausdruck dieses Momentes nach. "Komm du mir nach Hause," kündigte der Vater an. Dort angekommen wurde der Junge dann verdroschen. "So richtig," meint er heute. Danach steckte er sich gleich eine neue Zigarette an. Sie habe ihm umso besser geschmeckt.

Als er in späteren Jahren arbeitslos wurde, in Geldproblemen steckte, wollte er weg von der Tabaksucht. Zu viel Kohle ging drauf. Wenn er nichts zu tun hat, raucht der Raucher öfter. Er erzählt von Kopfschmerzen, weil der Qualm langsam die Luft in der Wohnung ersetzte. Er versuchte weniger zu rauchen. Fünf bis acht Zigaretten am Tag. Dann wieder soviel wie möglich, um den Ekel heraufzubeschwören, der ihm die Lust aufs Rauchen verderben sollte.

Eine andere Methode war besonders drastisch: Er tunkte die Zigarette mit dem Filter in ein Glas Milch, ließ diesen etwas einweichen, schüttelte trocken und zündete an. Der Geschmack war so ekelerregend, dass er unverzüglich auf die Toilette rannte und sich kräftig auskotzte.
"Gebracht hat es auch nix."

Er raucht halt immer noch. Und könnte kotzen.


Sonntag, 6. Dezember 2009

Der Gotteskrieger aus Passau


Was ist jetzt echt? Die Revoluzzer-Mähne oder das aalglatte Fernseh-Grinsen? Oder etwa Nichts davon?

Einige Prediger kreuzten meine Wege in der Vergangenheit. Ich habe mir immer vorgenommen, nicht so zu werden wie sie, wenn auch ich einmal das Rauchen aufgäbe. Sie langweilen mich. Die, die nach drei Tagen ohne Zigarette schon ihren Sermon abgeben, wenn man sich selbst eine ansteckt. Die, die sich in ihrem neu gewonnenen Selbstwertgefühl suhlen, bzw. es durch Klugscheißerei aufrecht erhalten wollen. Die, die dir ständig aufzeigen, dass sie zu den besseren Menschen gehören, seitdem sie aufgehört haben zu rauchen.

Ich nenne sie scherzhaft Jesus. Und vor kurzem bin ich über die Mutter all dieser Jesi (korrekte Mehrzahl oder darf es wirklich nur einen geben?) gestolpert. Quasi Maria. In einem Zeitungsartikel. Ihr Name: Sebastian Frankenberger.

Der junge Passauer, 28, hat sein Lehramtsstudium für Mathematik und Physik leider nicht aufrechterhalten können. Was ist also der nächste logische Schritt? Genau, ein Theologiestudium! Aber auch das hält der Sebastian nicht durch. Na egal, es bleibt ja noch die Politik. Seine CSU-Karriere erfährt ein jähes Ende, als er sich für die Rettung eines Landstriches an Bäume festketten lässt. Wenig später findet er sich in der ÖDP wieder. Dort geht es natürlich bedeutend schneller "Assistent der Geschäftsleitung" zu werden und so steigt der fleißige Sebastian dann auch gleich mal auf. Nebenbei gewandet er sich im schicken mittelalterlichen Zwirne und arbeitet in diesem Aufzug als City-Guide in Linz und Salzburg.

Jetzt hat er seinen größten Coup gestartet und war dabei noch unerhört erfolgreich. Sein Volksbegehren für den Nichtraucherschutz wurde dankend angenommen und es bekam mehr bürgerliche Zustimmung als man erwarten konnte. "Wir haben ein bisschen Geschichte geschrieben," wird Hauptorganisator Frankenberger zitiert- nichts anderes als Geltungswahn lese ich zwischen diesen Zeilen.

Der freundliche Schwiegersohn-Hippie, in Wirklichkeit ein verkappter Fanatiker? Vielleicht ein berechnender (Mathematikstudium) Dogmatiker (Theologiestudium) mit Hang zum Radikalen (Baumbesetzung)? Einer der sich dessen gar nicht bewusst ist, weil er geblendet ist von dem Vorhaben, die Welt um jeden Preis zu verbessern? So wie er sie für richtig hält? Geführt durch seine Sonnenbrille der Nächstenliebe, die in dem Minderbegabten ganz erstaunliche Kräfte freisetzt? Ich kenne Herrn Frankenberger nicht und kann nur mein Vorurteil zum Besten geben. Aber dieser vernarrte Kampf gegen die freiheitliche Option eine Zigarette zu rauchen, wirkt auf mich bedrohlich. Ich traue dem Kerl nicht. Und ich bin jetzt auch Nichtraucher.

Was würde Jesus tun, wenn es um Nichtraucherschutz ginge? Auf ein Verbot beharren? Glaubst du das wirklich, werter Sebastian?

Hier folgen ein paar persönliche Interessen von Frankenberger, wie dieser sie auf seiner MySpace-Seite veröffentlichte. In meinen Augen höchst-verdächtig, aber macht euch euer eigenes Bild:

Sebastian Frankenberger: Interessen
AllgemeinTanzen, Theater, Politik, Religion, Natur, Kunst, das Leben an sich und die Menschen, wie die Welt funktionert und vor allem das Zusammenleben,...
MusikJazz, Kirchenmusik, Klassik, Filmmusik, v.a. Musik die mich auf Autofahrten durch die Natur zum Verlassen der Gedankenwelt bringt
FilmeWie im Himmel, Chocolat, Wer früher stirbt ist länger tot. Filme die tiefgründig sind, keine Gewalt verherrlichen, romatisch sind aber hauptsächlich mich in eine intellektuell ansprechende Welt entführen
FernsehenNachrichten, Dokumentationen, Politische Talkshows und ab und zu auch mal Fußball
BücherIch liebe Menschen zu lesen. Viel spannender als Bücher und man liest mit allen Sinnen! Sonst aber Kunstreiseführer von Dumont.
HeldenIn jedem Menschen steckt göttliches und schöpferisches. Das Entscheidende im Leben ist, sich dieser Verantwortung und Macht bewusst zu werden und im Achten des anderen und der Schöpfung glücklich zu leben.

Amen.

Donnerstag, 3. Dezember 2009

Der Spieler

Ich krame in meinen Taschen. Kann kein Ticket vorzeigen. Aber ich muss an der Haltestelle raus. Die Dame reagiert gereizt. Ich nenne sie in Gedanken "den Terrier", denn sie hat etwas Bissiges- Der Berti Vogts unter den Fahrscheinkontrolleuren. Ich drücke ihr nach Aufforderung meinen Personalausweis in die Hand, stürze aus der Tür und fordere sie auf, sich zu beeilen, mit auszusteigen. Im nächsten Moment ein ziemlich verdutzter Blick der Dame, die mich hinter geschlossenen U-Bahntüren anglotzt, und auf den Gleisen in Richtung Tunnel verschwindet. Ein grünes Dokument in ihrer Hand. Leider kommt sie nicht mehr zurück.

Wegen diesem Vorfall bin ich heute im Kundenzentrum der Münchner Verkehrsbetriebe. Circa 45 Minuten. Von einer Kollegin an die nächste überwiesen, welche mir dann erklärt, mein Ausweis befände sich entweder im Fundbüro oder im Schreibtisch ihrer Chefin. Die habe aber schon längst Feierabend. Mit leeren Händen mache ich mich wieder auf den Heimweg. Alles Scheiße.

"Alles Scheiße, Bruder" höre ich hinter mir. Ein schmächtiger Nordafrikaner steht plötzlich neben mir und gibt meinem Gedanken Ausdruck. Er ist keine 30 Jahre alt, hat eine braune Wollmütze auf dem Kopf und trägt eine Jacke im Camouflage-Stil. Anfangs scherze ich etwas mit ihm, aber als er sagt "das Leben soll vorbei sein" höre ich ein stärkeres Problem raus. Ich hake nach. Er deutet mit dem Zeigefinger auf seine müden Augen. "14 Stunden. Ich war 14 Stunden am Automaten. Habe 600 Euro verloren."

Ein Spieler also. Ein Zocker. Ich habe mich oft damit gebrüstet, nie auch nur eine Münze in ein solches Gerät geworfen zu haben. Ich war schon bei der Brotvermehrung Jesu Christi skeptisch und konnte auch die Geschichte von der Geldvermehrung durch blinkende und dudelnde Spielautomaten nicht glauben.

Der Afrikaner, nennen wir ihn einfach "Mo", war drei Tage unterwegs und ist von Spielhölle zu Spielhölle gewandelt. Jetzt ist er übermüdet, depremiert und bankrott. Er erzählt mir von seiner Sucht. Alles habe angefangen als er mit sechs Euro in der Hand vor einen Spielautomaten stand. Die Leute rieten ihm ab. Es sein ein schlechter Automat. Mo hat 800 Euro aus dem Ding gemolken. Natürlich glaubte er nach so einem Erfolg, er hätte Macht über die leuchtenden Knöpfe, aber in Wirklichkeit sind sie es, die immer mehr Macht über den Spieler haben.

Gier und Neid sind die zwei hässlichen Antriebe für einen Zocker. Wenn man einmal gewinnt will man immer mehr und wenn man sieht, dass sein Nachbar gerade 3000 Euro geholt hat, dann will man ihn übertrumpfen. Am Ende ist man immer pleite. Die Leute verlieren alles: Ihr Auto, ihre Familie, ihren Job. Sie werden hochgradig depressiv und unberechenbar. "Ich bin aber nicht süchtig, ich kann blos nicht aufhören," schließt Mo mit einem Augenzwinkern, das in der Müdigkeit jeden Witz verliert.

Das Glücksspiel bestimmt sein Leben. Es kontrolliert jeden seiner nächsten Schritte und hat ihn komplett vereinnahmt, das weiß er. Es wird das Erste sein, was er tut, wenn er sich nach dieser letzten Tour ausgeschlafen hat. "Ich könnte mit dem Spielen aber leichter aufhören als mit dem Rauchen." Ich weiß nicht, ob ich diese Aussage für bare Münze nehmen soll.

Unsere Wege trennen sich am Marienplatz. Für zehn Minuten gewährte mir ein Mann Einblick in eine Welt, die noch viel schwieriger zu fassen ist als Drogenabhängigkeit. Er verabschiedet sich mit einem Lächeln, hinter dem sich Übermüdung und Frustration verborgen halten. Ich kann nur erahnen, mit was für Problemen andere Leute zurecht kommen müssen, wenn sie abhängig sind.

Ich wünsche dir einen guten Weg, Mo.

Dienstag, 1. Dezember 2009

Abhängen

Die Abkürzung BISS steht für "Bürger in sozialen Schwierigkeiten". 1,80 Euro kostet die Zeitschrift. 90 Cent gehen an den Verkäufer- Meist ein Gestrandeter, der sie in Münchens U-Bahnhöfen anbietet.

Die November-Ausgabe zeigt ein engmaschiges Labyrinth auf dem Titel. Darin ein verzweifelter Mensch, sitzend. Tabletten, Spritzen und Flaschen als mögliche Sackgassen. Thema: Sucht.

In einem Artikel die Geschichte von Peter Ernst. 49 Jahre alt, 37 Jahre lang Heroin-abhängig. Die erste Dosis mit zwölf. "Von den Provinz- Diskos der Siebziger bis in den Kunstpark der Neunziger" wird seine Karriere beschrieben. "Zum Rock das Heroin, zum synthetischen Sound das Ecstasy." Dazwischen Gefängnisaufenthalte, Obdachlosigkeit und Überdosis. Jetzt hilft ihm das Diamorphin-Programm der Regierung, ein weitestgehend normales Leben zu führen.

Es gibt Träume, die sind so einprägsam, dass man sie im Leben nicht vergisst. Einen davon hatte ich mit ungefähr zehn Jahren. Von Drogendealern gejagt, die mir eine Spritze verpassen wollen. Noch heute gibt mir der Gedanke daran ein mulmiges Gefühl, doch war es der Grundstein, von Heroin die Finger zu lassen. Die Gelegenheiten gab es schon. In der Jugend experimentiert man mit einigen Substanzen, aber vor Heroin hatte ich immer Respekt. Die Droge, die ich mir am häufigsten verabreichte, war natürlich Nikotin. Die erste, die letzte und zum Glück auch die harmloseste. Unvorstellbar nach einer anderen Droge so abhängig zu sein. Alkohol wäre ja schon ein lebenszerbrechendes Unterfangen. Amphetamine? Gute Nacht! (bzw. keine Nacht, weil kein Schlaf). Und über Heroin kann ich nur mutmaßen, aber die Junkies, die ich kennengelernt habe, machten einen mehr als bemitleidenswerten Eindruck (vorallem, wenn man sie auch als Nicht-Junkies kannte).

Die BISS hat mich über den Begriff "Abhängigkeit" nachdenken lassen. Es ist nicht nur das "abhängig sein", man kann auch aktiv "abhängen". Ist das nicht das, wenn man sich vor dem Fernseher fläzt oder sich am See von der Sonne braten lässt oder im Biergarten prostet? Einige brauchen ein Bier dazu, andere rauchen einen Joint. Sie relaxen. Doch wenn das Relaxen ein Dauerzustand wird, läuft das Leben Gefahr aus der Bahn zu geraten, kommt man doch mit den Anforderungen des Alltags nicht mehr zurecht.

Mein Bewältigungsfeld sind wie gesagt Zigaretten. Und selbst bei dieser vermeintlich harmlosen Sucht merke ich, wie sich Abhängen durch Abstinenz allmählich in Ärmel hochkrempeln verwandelt. In meinem Kopf reifen neue Pläne, Visionen und Tätigkeitsfelder. Ich spüre neue Energie, etwas anzupacken und mich den Herausforderungen zu stellen.





Vielleicht einer der Gründe, warum ich einen Albtraum hatte. Vielleicht einer der Gründe warum ich Heroin nie angefasst habe. Der einzige Cartoon, den ich kenne, in dem gestorben wird. Ein ziemlicher Schocker damals. (Falls der Player nicht funktioniert: Hier der Link zum Kopieren: http://www.youtube.com/watch?v=xrKMzHqzfjE

Donnerstag, 26. November 2009

Apropos Getränke (oder: die braune Siffe)

Ein Laster haben sie fast Alle. Wenn es nicht die Zigaretten sind, ist es der Alkohol und wenn es der nicht ist, dann zumindest der Kaffee. Ein Schulterklopfen aus Anerkennung für die, die keines davon in ihren Alltag aufgenommen haben; eines aus Mitleid für die, die allen Dreien nicht widerstehen.

Wenn es hochkommt, habe ich in meinem Leben fünf Tassen Kaffee getrunken. Die letzte etwa vor zehn Jahren. Schmeckt nicht. Auch keine Capuccino-Schokolade, Latte Macchiato oder irgendetwas Vergleichbares aus dieser Bohnen-Familie darf in mich eintreten. Gut so.

Ein Freund von mir bezeichnete "schwarze" oder "braune" Getränke sogar einmal als "Gift". Er fand, die Farbe deute ja schon an, dass sie nicht gesund sein können. Würde man den Reiz von Cola nicht kennen, dürfe man doch niemals auf die Idee kommen, sich eine schwarze Flüssigkeit in den Mund zu schütten. Es sei eine Signalfarbe; die Farbe von "Gesöff". Nein, schlimmer, von "Siffe". Zugegeben dieser Freund hat eine fanatische Einstellung was Emulgatoren betrifft und ist darüber hinaus militanter Vegetarier, aber ich stimme ihm bei seiner Farbanalyse durchaus zu.

Ich merke einen großen Unterschied, was meine Trinkgewohnheiten angeht: Ich trinke eigentlich nur noch Wasser.

Als Raucher war das anders. Mineralwasser nebst Zigarette zu konsumieren ergab ein ekelhaftes Mundgefühl. Ausgeschlossen. Es mussten kohlensäurehaltige Getränke sein. Als zweite Wahl standen Säfte oder Eistee im Kühlschrank.

Nun habe ich vor Kurzem eine alte Pfandflasche aus dem Kämmerchen gezerrt. In ihr befand sich noch ein kleiner Rest Cola-Mix. Um sie im Supermarkt abzugeben, leerte ich sie über dem Waschbecken aus. Dabei überkam mich die gerümpfte Nase. Na klar, das abgestandene Getränk runterzuschlucken wäre wohl jeder Zunge schlecht zu Gesicht gestanden, aber das war nicht mein Problem. Es ging rein um den Anblick von brauner, kohlensäurehaltiger Limonade, die aus ihrem Behälter entlassen wurde. Ich konnte mir nicht vorstellen, mit so etwas meinen Durst zu löschen. Ein sanftes Mineralwasser befriedigt dieses Verlangen heute viel besser. Es ist frisch und ich meine zu spüren, wie es meinen gesamten Körper durchströmt.

Ein paar Tage später ertappte ich mich in einer Pizzeria beim Siffe-Bestellen. Ich verschwendete gar keinen Gedanken an die Getränkewahl. "Spezi" kam einfach so aus meinem Mund heraus, bevor es dann später in flüssiger Form wieder hinein kam. Macht der Gewohnheit. Während ich schön fettig speiste, flutschte auch die selten gewordene braune Erfrischung ganz geschmeidig durch die Röhre. Weniger als willkommene Abwechslung, sondern mehr als alteingesessenes Ritual. Man kann/muss ja nicht alle Macken auf einmal ablegen.

Turnt sie dieses Bild an?

Sonntag, 22. November 2009

Sail Away

Ein besonders gefährliches Unternehmen ist es, das Nichtrauchertum mit alten Party-Gewohnheiten zu verbinden. Trotzdem muss man sich dieser Herausforderung früher oder später stellen.

Das Auf-den-Weg-in-den-Club-Bier liegt kühl in meiner Hand. Der erste Schluck nimmt auf der Zunge Anlauf und stürzt sich dann mit lautem Gulpen den Gaumen hinunter. Eine Geschmacks-Atombombe explodiert in meinem Mund. Wow- eigentlich dachte ich immer Bier wäre der Zigarette nicht unähnlich: Es schmeckt zwar nicht, aber der Geselligkeit wegen trinkt man es doch.

Das hier ist anders. Das hier ist wie mein erstes Bier. Ich schmecke die Hopfenpflanze, die Reinheit des Naturgesöffs. Es vertritt vor meinem Gehirn plötzlich tausend Gründe, warum das Bier als das Kultgetränk der Menschen in den Wettbewerb gehen sollte, wenn wir in ferner Zukunft mit den Außerirdischen um die Geilheit unserer Spezies konkurrieren müssen.

Ich verstehe in diesem Moment diese idiotischen Bier-Werbefilmchen. Einer der Gründe, warum ich keinen Fernseher mehr besitze, sind diese hirnverbrannten Möchtegern-Romantisierungen und das pseudo-kunstvolle Erheben von Alltagsgegenständen. Doch hier stellt sich mir mit jedem Schluck ein Getränk vor, das ich nicht immer, aber immer öfter, an einem schönen Tag zum wegsegeln benutzen könnte.

Naja, wollen wir nicht zu viel schwärmen. Ich bin in meiner Vergangenheit oft genug "weggesegelt". Aber das Bier stand dabei immer in Verbindung mit einer (bzw. sehr vielen) Zigarette(n). Es war ein "Runterkippen", und das im bezeichnendstem Sinne des Wortes: Das Hinunterspülen von Tabakqualm, der sich noch im Mund befand. Ein verflüssigter Aschenbecher sozusagen.

Das Bier in der U-Bahn war nie erlebter Hopfen- und Malz Genuss. Doch ich bleibe auf dem Teppich. Die Folgebiere gepaart mit dem Gin und die müden Knochen am nächsten Tag, hielten den Geschmack zwar im Hinterkopf, wollten aber vom Genuss nicht mehr viel wissen. Besser ich bleibe bei den alten Eindrücken: Zigaretten und Alkohol machen beide eine längere Pause.

Montag, 16. November 2009

Baba Ali

Sonnenschein und Regen wechseln sich gewöhnlich ab. Nach einem Schlaf, der mehr Energie raubte, als dass er mich entspannen ließe, nach dem Schritt vor die Tür ins trübe Regenwetter, meldete sich der kleine Teufel in meinem Kopf. Er flüsterte mir schlechte Laune ein und überzeugte mich, die guten Vorsätze für das billige Vergnügen über Bord zu werfen. Ich war in diesem kurzen Moment wie ferngesteuert, ich konnte nicht anders. Alle Lampen aus. Ich schnorrte eine Kippe und steckte sie mir an. Die Selbstironie wich dem Selbstsarkasmus.

Ich stehe vor dem Eingang der U-Bahn-Haltestelle. Musik in meinem Kopfhörer schneidet mich von der weltlichen Geräuschkulisse ab. Die Zigarette schmeckt eklig und ich schmecke auch eklig. Ein Lieferwagen eines Getränkeservice fährt auf den Gehweg. Damit er parken kann, muss ich ein paar Schritte zur Seite gehen.

Wenig später spricht mich der Fahrer an. Vor mir steht ein etwa 50 Jahre alter Türke in Latzhose. Seine rechte obere Zahnpartie fehlt komplett. Sein Mund macht deutliche Sprechbewegungen, aber ich kann erst etwas davon verstehen, als ich meine Kopfhörer aus den Ohren nehme.

"Was ist?" "Du solltest aufhören zu rauchen. Rauchen ist scheiße. Ich habe jetzt zehn Jahre und einen Monat geschafft." Ist das sein Ernst? Erscheint hier einfach und hält mir eine Predigt, als ob er genau wisse, was ich für einen Frevel begehe.

Er stellt sich als "Baba Ali" vor, erzählt mir davon, dass er früher drei Schachteln Marlboro am Tag geraucht und Dreh-Tabak immer als Reserve einstecken hatte. Erzählt mir von seinem Bruder, der am Rauchen verstarb. Von den Ärzten, die ihn angeblich warten ließen, weil er Raucher war und sowieso keine Chance aufs Überleben gehabt hätte. Von seinem Schwur am Totenbett nie wieder eine Zigarette anzufassen.

Zehn Jahre und einen Monat. Er habe damals fünf Kilo zugenommen, als Ersatzdroge Studentenfutter benutzt, aber davon ist er jetzt auch weg. Seine Enkel sagen ihm, dass Opa jetzt nicht mehr stinkt.

Ich muss Baba Ali, dem gesandten Engel, versprechen, es weiterhin durchzuziehen. Danke, Baba...diese Schnulze ist für dich:

Sonntag, 15. November 2009

Stress 2.0

Noch drei Minuten bis die S-Bahn eintrifft. Auf der Rolltreppe fällt mir ein, dass ich eine Fahrkarte brauche. Also nochmal runter zum Automaten. Ich habe das Münchner Tarifsystem für die öffentlichen Verkehrsmittel noch immer nicht ganz verstanden und versuche mich anhand der Grafiken und Tabellen im Schaukasten zurechtzufinden.

Plötzlich ruft jemand lauthals meinen Namen. Die Art des Ausrufes liegt irgendwo zwischen "wichtig" und "Katastrophe", kommt scheinbar von meinem Anhang, der sich schon am Gleis eingefunden hat. Ich laufe also wieder zur Rolltreppe, blicke fragend nach oben und erblicke meine Schwester, die eine Handbewegung macht, in die ich "falscher Alarm" hineininterpretiere.

Zurück zum Fahrkartenautomaten. Ein Mann in Jeanskluft hat meine Abwesenheit als Chance ergriffen, selbst herauszufinden welches Ticket für ihn wohl das sinnvollste wäre. Er drückt auf verschiedenen Knöpfen herum, brummelt mehrmals "Hmmm" vor sich hin, bis er mich hilflos anschaut und verzweifelt "Kurzstrecke" sagt. Ich zeige ihm den richtigen Button und er erledigt seinen Zahlvorgang.

Ich bin an der Reihe, hole aus meinem Geldbeutel einen widerlichen Fünfer, der sicherlich schon zahlreiche Transfers hinter sich hat. Ein wirklich hässliches Exemplar. Zerknüllt, weich und mit einem fettigen Film bedacht. Ich kenne die Sensibilität des Automatenschlitzes, wenn es um solch mässig-qualifiziertes Papiergeld geht. Um mir die Verweigerung zu ersparen, will ich ihn zwischen den Fingern glatt streichen und -zack-, reiße ihn in zwei gleich große Hälften. Das ist mir auch noch nicht passiert.

Ein großes "Scheiße!" müsste meinen Kopf erfüllen, die Faust gegen den Automaten hämmern oder ähnliche unvernünftigen Aktionen folgen. Stattdessen flitzt ein selbstironisches Lächeln über mein Gesicht. Ruhig und schnell zugleich das Kleingeld überprüft, eingeschmissen, das Rattern abgewartet, Fahrkarte entnommen, Rolltreppe genommen und zu meiner Schwester in die S-Bahn gestiegen, welche pünktlich abfährt.

Alles ist cool. Neben dem potentiellen Amoklauf an einer Supermarktkasse scheint sich mittlerweile eine andere Lösung anzubieten, mit Stress fertig zu werden. Diese Möglichkeit hat etwas mit innerer Ruhe und Gelassenheit zu tun.






Mittwoch, 11. November 2009

Eine Nacht mit Peter Alexander

Ist es der Totenmonat November, mit seiner rauhen Witterung und seinen grauen Fassaden, der mir ständig Ambosse an die Augenlider hängen will?

Ich bin müde. Mehrmals am Tag. Es fällt mir schwer morgens aufzustehen und der Wecker muss Sonderschichten fahren. Habe ich meine Energie dann für acht bis zehn Stunden in die richtigen Bahnen gelenkt, schießt mir gegen 17 Uhr ein unsichtbares Wesen Betäubungspfeile in den Nacken.

Ich liege auf dem Bett. Will nur kurz entspannen und döse weg. Die Rast kann schon mal zwei Stunden dauern, was mich aber nicht davon abhält, nachts zeitig ins Bett zu gehen.

Dann schlafe ich tief. So tief, dass die Träume bald nicht mehr von der Realität zu unterscheiden sind. Ich warte noch auf den obligatorischen Raucher-Traum, bei dem man aufwacht und sich nicht sicher ist, ob man wirklich eine Zigarette geraucht hat.

Aber ein ähnlich wirres Gefühl überkam mich heute im Schlaf: Als der Wecker zum ersten Mal seinen Dienst tat, ich nur langsam aus der Traumwelt herausfand um in die allgemeine Wirklichkeit überzusegeln, war ich überzeugt, den größten Schlager aller Zeiten geschrieben zu haben. Mir lag die Melodie noch auf den Lippen, die Texte wurden schnell kryptischer, bis bald kein einziges Wort mehr zu rezitieren war. Ärgerlich. Diese zeitlose Spanne des Schlummers, die irgendwo zwischen gezählten zehn Sekunden und gefühlten zehn Minuten lag, stellte mich vor die Entschlüsselung dieses fabelhaften Songs. Er hatte etwas vom Stile Peter Alexanders, nur war dieses Lied ungemein bedeutender und absolut Generationen-übergreifend. Mit jedem Krächzen des Weckers verflog sich das Meisterwerk in uneinholbare Ferne.

Es bleibt mir wohl nichts anderes übrig, als dem unvergänglichen Ruhm durch goldene Schallplatten abzuschwören und mich mit kleineren Erfolgen zufrieden zu geben. Zum Beispiel dem, zehn Tage ohne Zigarette durchgehalten zu haben.



Montag, 9. November 2009

Zeit und Stress

Die erste Woche ist überstanden. Je mehr Zeit verstreicht, desto länger wird die Spanne zwischen den Momenten, in denen ich gerne eine Zigarette rauchen würde. Ich hoffe auf eine exponentielle Entwicklung dieser Zustände.

Anfangs hätte ich mir bereits nach 30 Minuten eine Kippe anzünden wollen. Heute sind diese Momente versteckter. Ich nehme bei Gelegenheit auch mal eine Zigarette in den Mund, bringe sie aber nicht mit Feuer in Berührung. Dieser Zaubertrick fällt mir schon relativ leicht.

Trotzdem bemerke ich ein Brennen auf meinen Nervensträngen: So cool und geduldig ich das Zigaretten-Zölibat zu bewerkstelligen scheine; in manchen Alltagssituationen merke ich die Schattenseiten des Entzugs.

Das Naturgesetz, sowieso immer an der falschen Kasse eines Supermarkts anzustehen, kenne ich mindestens so lange, wie ich meine Haushalts-Einkäufe selbst tätige. Nur, in letzter Zeit nervt es mich gewaltig. Ich konnte mich in solchen Situation eigentlich immer ganz gut ablenken, fand Möglichkeiten die Wartezeit zu nutzen, beispielsweise durch Beobachtung menschlicher Verhaltensweisen. Heute murmle ich kleinere Flüche vor mich hin, balle meine Hand zu einer Faust und erst wenn ich zuhause bin analysiere ich die Natur des Homo Sapiens- an mir selber, indem ich Blog-Einträge verfasse.

Ich habe heute sogar einem Greis vorgeworfen, er würde vorsätzlich mit einzelnen Cent-Stücken bezahlen. Diesen satanischen Rülpser donnerte ich natürlich nicht direkt in sein Gesicht, gab ihn aber durchaus in einer pomadigen Lautstärke von mir, die umstehende Mit-Schlange-Steher registriert hätten dürfen. In der nächsten Sekunde war mir dieser Ausrutscher natürlich gleich sehr peinlich und ich war etwas schockiert von mir selbst. Normalerweise sehe ich mich , wie wohl der Großteil der Weltbevölkerung, als einen Menschen, der geduldig ist und solche vorlauten Respektlosigkeiten verurteilt.

Hoffentlich hat diese Stressentwicklung hier keinen exponentiellen Charakter, sonst kann sich die Welt bald auf einen nichtrauchenden Kannibalen gefasst machen, der bei der kleinsten Lappalie in Blutrausch verfällt. Ich stemme jetzt wohl lieber ein paar Hanteln und esse ein, zwei Tafeln Schokolade um mal runterzukommen...bin das noch ich?



Freitag, 6. November 2009

Smells like...???

Das Auto ist weg. Der Filmdreh ist zu Ende. Der Vertrag erfüllt und meine Arbeit als Produktionsfahrer damit getan. Heute gab ich den Opel samt Schlüssel an die Autovermietung zurück. Das letzte, das ich aus dem lieb gewonnenen Radio höre, bevor ich es ein letztes Mal abschalte, ist passenderweise die Meldung vom Rücktritt des GM-Europa-Chefs Carl-Peter Forster. Er wollte den Opel-Konzern von General Motors lösen, jetzt löst er sich selbst von General Motors.

Egal, für mich stehen in Zukunft jedenfalls wieder die öffentlichen Verkehrsmittel auf dem Programm. So steige ich heute zum ersten Mal seit über einem Monat wieder in eine U-Bahn. Schon auf der Rolltreppe fällt mir ein ungewöhnlicher Geruch auf. Es ist nicht dieser typische, synthetische Geruch, der normalerweise einen U-Bahnhof ankündigt. Er ist süßlicher.

Es warten ziemlich viele Fahrgäste auf den Zug. Meine Nase ist aufmerksam und immer noch verwundert. Hier riecht es fast wie in einer Douglas-Filiale. Eine Ansammlung von Körpern im Berufsverkehr, alle in dicke Jacken verpackt und kein Einziger riecht nach Mensch? Vielleicht ist es ja eine nasale Täuschung, falls es so etwas gibt. Optische Täuschungen sind ja bekannt; vor zwei Tagen habe ich dann erstmals von der Shepard-Skala gehört. Es handelt sich dabei um eine akustische Täuschung, die den Eindruck erweckt, immer höhere (oder tiefere) Töne bis ins unendlich Hörbare steigern zu können.

Dies hier muss etwas Ähnliches sein: In der U-Bahn stehe ich neben zwei komplett kaputten Junkie-Lesben. Sie haben keine Gesichtszüge mehr, Schaum vor dem Mund und proben in ihren Bewegungen schon mal die Totenstarre. Trotzdem versprüht die Maskulinere der Beiden einen wahrhaft alles übertrumpfenden Parfum-Reigen.

Hinter mir eine Gruppe Provinz-Skater aus Tirol. Sie sprechen das "K" in jedem Wort so hart aus, dass das bekannte Lautschriftzeichen hierfür nicht zulässig sein kann. An der nächsten Haltestelle steigen sie aus und werden durch Münchner City-Skater ersetzt. Diese kleiden sich anders, sprechen anders und sehen die Welt schätzungsweise mit anderen Skater-Augen: Geruch-mässig spüre ich hier aber keine Veränderung.

Nun ja, ich bin auch, als ich wieder an der Frischluft angekommen bin, von meiner Nase fasziniert. Alles kann plötzlich durch Duft/Gestank erlebt werden. Eigentlich für mich immer der Unscheinbarste aller Sinne, bekomme ich heute eine volle Front Leistungs-Exempel geliefert. Es hat schon heute früh angefangen, als ich den Rauch einer Passiv-Zigarette mit Nougat assoziierte. Obwohl es nicht wirklich danach roch, hat mein Gehirn wohl ein angeregtes Bild von Süßigkeiten produziert. Synästhesie durch Nichtrauchen? Sehe ich jetzt bald Töne und höre Farben?

Ich behalte meinen Geruchssinn also "im Auge", denn ich glaube er ist zu mehr fähig als ich dachte.


Shepard-Skala und Spiral-Täuschung...gute Nacht

Donnerstag, 5. November 2009

Level 1-1

Die ersten 100 Stunden habe ich hinter mir. Ich fühle mich, als hätte ich den ersten Level von Super Mario durchgespielt. Bis hierhin habe ich es natürlich schon öfter geschafft. Richtig schwierig werden erst die höheren Regionen. Aber immerhin, ich habe bis jetzt ganz gut gespielt. Ein Leben zwar verloren: Am Samstag mit Mirko in der Bar. Nun ertönt in meinem Kopf also das belohnende Gedudel für das Komplettieren des ersten Spielabschnitts.

Montag, 2. November 2009

Heute: Häuten

Ja, ich habe gesündigt. Wenn man an einem Wochenende mit seinem besten Kumpel zusammenkommt, der schon das Tequilla-Glitzern im Auge hat, kann man nicht einfach "Nein" sagen. Wenn es ein wirklich außerordentlich guter Freund ist, den man leider nicht mehr so oft sieht wie früher; der zudem noch gar nicht weiß, dass ich mich zur 100 Tage-Kur entschlossen habe, dann muss man doch anständig bei einem Bier darüber reden können.

100 Tage Rauchstopp bedeuten nämlich mehr als bloßer Verzicht auf Zigaretten: Ich kann in der Zeit natürlich auch keinen Alkohol trinken. Diese beiden Übeltäter sind durch eine verzwickte psycho-chemische Formel festens miteinander verstrickt: Liegt die flüssige Substanz auf der Zunge, fordert das Gehirn sofort gasförmigen Tabak.

Somit habe ich meine Abschlussveranstaltung von Samstag auf Sonntag organisiert und durchgeführt. Es war kein Fehler, es tat nicht weh. Seitdem bin ich tatsächlich gefestigter in meinem Willen, glaube ich.

Ich habe nun schon so gut wie zwei Tage hinter mir und bemerke erste, leichte Veränderungen. Neben dem immer noch starken Drang zu Essen kam heute ein Gefühl von Häutung dazu. Ich schlüpfte ab und zu in die Rolle einer Schlange, einer Eidechse oder einer großen Spinne, die ihre Haut abwirft um größer zu werden. Das hört sich nun vielleicht stark nach einer Metapher für einen geistigen Zustand an, doch das Gefühl war tatsächlich eher körperlich.

Es lag wohl an den paar Gramm Körpergewicht, die ich in den letzten Tagen sicherlich hinzugewonnen habe, addiert mit der neuen Freiheit meiner Atemwege: Nachdem ich in der letzten Zeit schon ein Fiepsen in meiner Luftröhre feststellen konnte, pumpe ich nun starke Züge von Frischluft durch meine Lungen.

A propos "Pumpen": Ich war heute motiviert, die staubigen Hanteln und Gewichte aus ihrer Ecke zu kramen und ein paar Leibesübungen zu starten.

Samstag, 31. Oktober 2009

Zwerg-Naseweisheit

Das Gefühl, das nach den ersten Stunden Entzug leicht als das dominante identifiziert werden kann, ist Hunger. Meine Hauptbeschäftigung ist die Nahrungsaufnahme. Ich lasse keine Mahlzeiten, Zwischenmahlzeiten, Snacks oder Appetithäppchen aus. Mir ist klar, dass das eine Ersatzhandlung sein muss; dass ich vielleicht mehr mit den Lippen, als mit der Zunge oder dem Magen esse. Eine orale Kompensation sozusagen. Dort, wo normalerweise eine Kippe klebt, Rauch eingesaugt und ausgeblasen wird, ist eine Einbahnstraße für Essbares entstanden, die nur eine Hauptstosszeit kennt: ständig.

So landet heute alles mögliche in meiner Verdauungsmaschinerie: Belegte Brote, Leberkäs-Semmeln, Obst, Süßigkeiten wie Croissants, Krapfen und ein Fruchtzwerg. Ja, ein Fruchtzwerg. Diese süße Löffelmasse meiner Kindheit. Als ich den Aluverschluß vom orangen Becher abziehe, fällt mir ein kleiner Aufdruck ins Blickfeld: "Danone empfiehlt eine ausgewogene Ernährung und eine gesunde Lebensweise." Nicht unbedingt eine gewagte Aussage.

Was will Danone damit ausdrücken? Suggeriert es mir, dass Fruchtzwerge besonders gesund sind oder ist es doch eher ein Warnhinweis? Das ich mich nicht nur von Frischkäsezubereitung ernähren kann und auch andere Nahrungsquellen aufsuchen sollte? Ist es ein Werbe-Statement, dass die Meinung des Konzerns und seinen 82.000 Mitarbeitern repräsentiert? Wohl eher nicht.

Vielleicht hat es mit den Protesten einiger Verbraucherschützer zu tun, die die Werbestrategie der Fruchtzwerge anzweifelt. "So wertvoll wie ein kleines Steak", "Kristallzuckerfrei": für solche Aussagen wurde Danone in der Vergangenheit gerüffelt, weil sie schlichtweg irreführend sind. So ein Fruchtzwerg ist einfach nicht besonders nahrhaft. Eine Studie besagt sogar, dass der verwendete Kristallzuckerersatz wahrscheinlicher zur Fettleibigkeit führt, als gewöhnlicher Haushaltszucker. Vielleicht hat der Zwerg deswegen einen sanften Warnhinweis verdient, abgeschwächter als die Todesdrohungen auf den Zigarettenpackungen.

Nun ja. Ich empfehle mir auch eine ausgewogene Ernährung und einen gesunden Lebensstil, deswegen verzichte ich ja auf Zigaretten. Den nächsten Fruchtzwerg kann ich mir eigentlich auch sparen, denn so lecker wie als Kind schmeckt er nicht mehr. Das Chili con Carne ist fertig...


Junkie-Zwerg

Wenn bei Capri...

Die Pizzeria ist immer noch eine Pizzeria. Seitdem ich denken kann ist sie eine. Ich fand die Verwendung von Oregano dort immer besonders gelungen. Ich war vielleicht elf Jahre alt. Erinnere mich an die Wandbilder von Capri, der blauen Grotte und den Fischerbooten. Lachte laut auf, als ich auf der Tageskarte "Cozze alla chef" las.

Der Vorgänger dieses Restaurants musste den Laden aufgeben, als man seine Sparmaßnahme "Hundefutter statt Hackfleisch" als "nicht praktikabel" abstempelte. Es hält sich jedoch das Gerücht, dass gerade diese geheime Zutat von einigen Kunden besonders geschätzt wurde.

Heute grinst mich dort ein Dick-Tracy-Verschnitt mit Trenchcoat, Krawatte und Hut an. Er verspricht "heiße Ware auf Bestellung". Die Pizza rollt langsam über ein Fließband durch den Elektro-Ofen. Oregano ist unsichtbar.

Ich habe mich entschlossen, auf den Stufen vor dem Eingang meine letzte Zigarette zu rauchen. Hier, wo ich auch zum ersten Mal gepafft habe. Das ist ungefähr 16 Jahre her. Man kann mich neurotisch nennen, aber ich habe nun mal ein besseres Gefühl, wenn sich Kreise schließen. 100 Tage ohne Zigarette- was das wohl aus mir machen wird? Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne...

Freitag, 30. Oktober 2009

Trennung

Vor dem Eingang einer Pizzeria sind wir uns begegnet. Ich weiß nicht, was mich dazu gebracht hat, dich anzusprechen. Leichtsinn, Abenteuerlust und der Wunsch nach Reife spielten wohl die Vorlage für diese Entscheidung. Ich stellte mich wohl recht ungeschickt an, doch bald habe ich dir zum ersten Mal Geld gegeben und wenig später hast du mich geküsst. Ein billiger Deal, der mir oft teuer zu stehen kam. Ich fühlte ein leichtes Schwindelgefühl als es geschah. Die Verwirrung öffnete dir die Tür zu meinen Gefühlen und du wurdest ein fester Bestandteil meines Lebens
.

Wir teilten schöne Zeiten: Sind zusammen um die Häuser gezogen, waren wild auf den Parties, haben aber auch immer wieder gemütliche Stunden miteinander verbracht. Es dauerte ein wenig, bis ich dich meinen Eltern vorstellte. Du weißt, sie sahen dich nicht gerne im Haus. Aber unsere Abhängigkeit war zu stark. Ich mochte auch deine Freunde. Und die mochten meine Freunde. Wie oft streiften wir alle zusammen durch die Clubs der Stadt oder saßen in geselliger Runde?

Auch wenn du es jetzt nicht wahrhaben willst: Unser Verhältnis ist nicht mehr so wie früher. Seien wir ehrlich: es ist nur noch Gewohnheit. Deine Küsse schmecken nicht mehr, fast wird mir schlecht von deinem Geruch. Mit deinem Freundeskreis bin ich schon länger im Krieg- alles Heuchler. Heute halte ich es für das Beste, wenn wir uns in den kommenden 100 Tagen nicht sehen. Lass uns eine Pause machen. Ein Abschiedskuss und dann gehe. Bitte, gehe.